Tag: Feministin in Leibnitz

Lesung mit Haltung: Schwesternschaft!

14 feministische Autorinnen lesen im Wiener Rathaus

Auf Einladung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig fand am 14. Juni 2024 im Wiener Rathaus eine feministische Lesung statt. Als einzige Steirerin war Eva Surma mit von der Partie. Sie ist seit 2021 Mitglied der IGfem und hat gemeinsam mit Gerlinde Hacker und Anna Cech 2022 den Verein IGfem Bezirk Leibnitz gegründet.

Präsentiert wurden in Wien die Sammelbände Störfeuer und WeissNet 2.3, die Werke von insgesamt 50 Autorinnen enthalten. Auch Surma ist in beiden Bänden vertreten. Ihre Lyrik und Kurzprosa verarbeitet die Eindrücke einer dreißigjährigen beraterischen Karriere in Migrations- und Frauenangelegenheiten.

Die iGfem hat es sich zum Ziel gesetzt, feministische Werte regelmäßig und mit Nachdruck im Alltag zu positionieren. Es braucht eine feministische Agenda in Literatur, Politik und Öffentlichkeit. In verschiedenen Workshopreihen wird weibliche Autorinnenschaft zugänglich. Auf der Hompage www.igfem.at erfahren Sie alles über die Vereinsarbeit, die Angebote und die Projekte. Hervorzuheben wäre da das EU Projekt Equal Pay, Equal Show, Equal Pension, das gemeinsam mit FORBA und der Uni Innsbruck umgesetzt wird.

Der Genderpaygap im Literaturbetrieb beträgt in Österreich immerhin stattliche 49,6 Prozent, was einmal mehr zeigt, wie wenig Ernst Frauenrechte und Gleichstellung in Österreich immer noch genommen werden.

Über Unterstützungserklärungen, die Sie ebenfalls auf der Homepage finden, kommen Sie mit den feministischen Autorinnen nicht nur in Kontakt sondern in intensiven Austausch.

Schwesternschaft!

Next Step: Amselstrurm. Eine feministische Ausstellung im GÄZ Großklein. Eröffnung am 8.8.2024

Es zipft mi aun, waun …

Es zipft mi aun,

waun

i net bin, wer i bin.

Waun i spinn.

Waun i umadruck und owaschluck

wias ma geht

wals net grod zum Besten mit uns steht.

Wal owa Weihnochtn is

und i den Weihnochtsfriedn

doch des gaunze Joah üba vamiss,

holt i zur Stund

liaba mein Mund,

wal dia sunst am End wida

ane auskumman kunnt.

Es zipft mi aun,

waun

i scho was,

wia des weida geht mit dem Schas.

Wal es is net gnua, dass i olls tua

von in da fruah

bis spät in di nocht.

Wal wauns daun krocht,

wors trotzdem mei Schuld.

Wal di Geduld hot a amol a End.

Und wal i so bled bin

föhln ma just jetzt, zu Weihnochtn,

vuan zwa Zähnt.

Es hot mi, wia ma so sogt:

full darennt.

Wal grod zu Weihnochtn,

wenn alle Fotos mochn

und verschicken,

muast du ma ane picken.

Es zipft mi aun,

waun

unterm Christbam dann olle bled schaun.

Wal mia sitzen jo trotzdem zam und hom a Freid

an di Kerznan und am Schnops.

Und i was jo, dass as di reit.

Jo, sicha es tuat da lad vor die Leit.

Sogoa zu ana Entschuldigung warast bereit,

zu dera weihnochtlichn Zeit.

Owa vorigs Joah, mitn blaun Aug

hob i wenigstns die Weihnachtsbrötchen vom Spar beißn meign.

Heit geh i hungrig ham und ohne Geschenke.

Gott sei Dank worn wenigstens die Getränke

reichlich vorhaundn

I hob nur net vastaundn,

warum mei Muatta jetzt

im Sigmund Freud obgsondat sein muas.

Weihnachtn ohne ihra, ohne an Gruas?

Es zipft mi aun,

woun

da Foda ihra grod einweisn losst

zu di Feiatäig,

wou er dei Famülienfeiern doch so hosst.

Na guad. Die Brötchen hot er vuriges Joah jo a scho bschtöllt.

Wal letzts Joah hom meina Muatta die Zähnt vuan gföhlt.

Patriarchat im Krisenmodus

Seit dem Tod der 22-jährigen Masha Amini herrscht Aufruhr im Iran. Wir konnten beobachten, was nach einem Femizid abläuft. Der Schock erfasst das unmittelbare Umfeld, und dann bemüht man sich erst einmal das Geschehene zu verharmlosen und die Schuld dem Opfer in die Schuhe zu schieben. Masha Amini war selber schuld, denn die staatliche Sittenpolizei, ist nur deshalb eingeschritten, weil sich die junge Frau falsch verhalten hat. Das Leben der ungehorsamen Frauen ist – selbst im 21. Jahrhundert – unwertes Leben. Um ihren Gehorsam zu zeigen, verhüllen Frauen im Iran ihren Körper und ihr Haar. Damit bekunden sie öffentlich, dass sie sich mit Religion, Staat und Scharia identifizieren.

Nun zeigen Menschen weltweit ihre Solidarität, unter anderem indem sie sich vor laufenden Kameras die Haare abschneiden.

Was muss passieren, dass Frauen auf die Barrikaden steigen? Allein 24 Femizide gab es heuer schon in Österreich. Das Budget zum Gewaltschutz wird aufgestockt. Aber sonst? Egal, wie viele Frauen keine Kinderbetreuung für ihre Kleinkinder haben und daher nicht arbeiten, nicht autonom sein können. Egal wie groß der Gender-Pay-Gap nach wie vor ist. Egal, wie vielen Frauen bekannterweise schadhafte Verhütungsspiralen eingesetzt wurden – und hier bekommt das Wort Gewalt-Spirale eine ganz neue, noch menschenverachtendere Bedeutung. Egal wie viele Frauen ihre gesamte Freizeit mit unbezahlter familiärer Care-Arbeit verbringen. Sie nehmen es in Kauf, um ihren Gehorsam zu zeigen, um ihren Beitrag zu leisten. Unsere Töchter werden dieses österreichische System forttragen, wie die Frauen es in den letzten Jahrzehnten im Iran mit der Macht der Mullahs taten. Unter dem Deckmantel einer verschrobenen Moral und scheinbar zum Wohle der Familien, der Gesellschaft, lassen Frauen sich weltweit knechten und sind doch, dort wie da, selber schuld. Victim Blaming, die erniedrigte Frau, die noch mehr gedemütigt werden muss, sollte sie es wagen, etwas Gewalt zu nennen, von dem die Weltwirtschaft profitiert. Kämpfende Frauen sind ein No-Go.

Die Revolution im Iran entstand erst, als Menschen das Fehlverhalten Masha Aminis als heldenhafte Tat würdigten, sich mit ihr und allen anderen unterdrückten Frauen solidarisierten und sich gegen die Staatsmacht wandten. Seite an Seite kämpfen nun vor allem junge Leute gegen ein übermächtiges, von ökonomischen und patriarchalen Interessen getragenes Staatswesen. Feminismus heißt, sich für Gleichberechtigung aktiv einzusetzen, so dass himmelschreiende Ungerechtigkeiten nicht mehr geschehen können. In Österreich hieße das, sich öffentlichkeitswirksam feministisch zu positionieren. Aber wer hat dazu schon den Mut?

Vom Wollen und vom Sein

Ich will eine Künstlerin sein, eine Schriftstellerin! Sie sagt das, sitzt neben mir und sieht mich herausfordernd an. Was kann man wollen? Was kann man sein? Was kann frau wollen, und wie kann sie es sein? Ist es im Alter leichter, etwas zu wollen oder zu sein?

Tausend Fragen tun sich mir auf, im nebelumwaberten Demmerkogelhaus. Im Laufe der Jahre ändert sich alles. Im Laufe der Jahrtausende ändert sich nichts. Der Weltenlauf bleibt immer derselbe. Junge Frauen erleiden, was alle jungen Frauen vor ihnen erlitten haben. Alternde Frauen fürchten, was alle alternden Frauen vor ihnen befürchtet haben.

Ich brauche eine Bühne. Ich will spielen. Das Theater in mir muss heraus, muss sichtbar werden. Die Angst, stumm zu bleiben. Die Furcht, die Gelegenheit zum großen Auftritt nicht mehr zu bekommen. Das Bangen, nie mehr wieder Lampenfieber zu haben. Das ist unser Weg, der sich zwischen Möglichkeiten und Gelegenheiten schlängelt. Immer mehrere Möglichkeiten, ungenutzte Gelegenheiten, verkannte Früchte einer Erkenntnis, die wir nicht ersehnten. Die paradiesische Schlange züngelt uns an. Lispelt: Es läuft etwas schief! Dann merkst du, dass etwas mit dir nicht stimmt. Es ist nicht stimmig. Du stimmst nicht. Dir fehlt die Stimme. Es ist vorbei. Es ist aus. Das ist das Ende.

Und doch ist da ein Funke. Sie facht das erloschene Feuer im Herd wieder an, schiebt Asche mit einem Holzspan zur Seite, gibt fein gehobeltes Gut auf die verletzliche Glut. Sie bläst zuerst vorsichtig, dann heftiger. Wir sind die Glut, und sie facht uns an. Ein Knistern. Ein Staunen. Es gelingt.

In der Glut schlummert das Feuer. Die Künstlerin schlummert in mir. Es ist ein archaisches Ritual, in der Asche zu graben, nach Resten zu suchen, das Glühen zu erkennen und es – trotz aller Widrigkeiten – zum Glimmen, zum Leuchten, zum Brennen zu bringen.

Du bist das Feuer, das du in dir fühlst. Du bist die Schreiberin, die gewaltige Wortzauberin, die Schamanin des Nonsens und der Sinnhaftigkeiten. Die feinfühlige Künstlerin, die wutentbrannte Schriftstellerin.

Angep*sst

„Lieber zerfranst es mich …“ heißt das Hörspiel von Manuela Tomic, die vor lauter Anpassung sogar auf das Hatschek bei ihrem Namen verzichtet. Hat jemand schon von ihr gehört? Nein, wohl die wenigsten.

Kein Wunder, denn wer sich anpasst und anpasst und anpasst, verschwindet in der Menge. Geht auf im großen Ganzen. Verliert sich. Unsere Geschichtsschreibung aber interessiert sich nicht nur für kapitalistischen Drive und territoriale Eroberungen, für Atomwaffen und Bodenschätze, nein sie ist darüber hinaus ganz geil auf diejenigen, die selbst herausragend unique, andere zur Anpassung zwingen. Je mehr du bezwingen kannst, desto profitträchtiger bist du nämlich. Im Gegensatz zur Disziplin Anpassung, in der wir Frauen es zu Spitzenleistungen gebracht haben, sind Frauen in der Disziplin Bezwingung ganz schlecht. Hohes Anpassungspotenial, bei approximativ null Bezwingungsenergie.

Der Tag, als meine Identität zum Versteckspiel wurde, lautete der Titel von Frau Tomics Essay, vor ein paar Monaten in der Zeitung. Auf dem Titelblatt derselben prangt das 1:1 gegen Frankreich, das unsere großen Söhne, die Töchter mitmeinend, aber in der Bundeshymne zu Beginn des Spiels beharrlich nicht singend, errungen haben. Unter deutscher Führung feiert unser Nationalteam endlich wieder Erfolge. Es will den Sieg. Die erste Doppelseite der Samstagszeitung gehört einer Philosophin. Und: Über welches Thema könnte eine Frau, eine Migrantin, wohl besser philosophieren, als über Anpassung.

Nicht nur Frau Tomic, auch wir sehen allenthalben Ukrainerinnen. Am Land nicht gar so viele wie in den Städten, aber wir haben eine gewisse Sensibilität dafür entwickelt, wer Unkrainerin sein könnte. Wir haben unseren Blick an die Berichterstattung der Medien angepasst.

Liesmann, der Vordenker der Nation, fragt sich ernsthaft, ob man etwas gegen Migranten und Zuzug haben darf, jetzt wo die EU sogar, nach schier endlosen Bemühungen, zu einem europäischen Verteilungsschlüssel gefunden hat. Aber lassen wir Liesmann rechts liegen! Er ist nur einer von vielen, die das Anpassen sicher nicht nötig haben. Ein genialer Typ! Von bezwingender Logik. Quasi omnipräsent. Sich ständig auf renommierte Taxonomisten von historischem oder literarischem Wert berufend. Abgesichert in der patriarchalen Seilschaft.

Die eigene Identität als Versteckspiel. Ist das noch Existentialismus, frage ich mich nach drei Tagen mit Camus, dem Hund meiner Tochter, oder steckt dahinter schon ein Streben nach Transzendenz?

Man will ja arbeiten, sucht Arbeit, um die eigene Existenz zu bestreiten, so viel steht fest. Menschen in den unteren Einkommenssegmenten arbeiten nicht, um sich selbst zu verwirklichen, sondern um den Alltag zu finanzieren. Lebenshaltungskosten zählen. Unbezahlte Frauenarbeit hingegen wird, der öffentlichen Wahrnehmung nach, zur weiblichen Selbstverwirklichung verrichtet. Ja. Das nehmen sich die Frauen unserer Tage eben heraus. Wozu hat man schließlich Kinder? Kinder, Familie, Haus und Garten, Hund und Katz, Oma und Opa, sie verdienen unsere Wertschätzung. Klartext: Das sind die, für die wir selbstverständlich vorrangig und gern entlohnungsbar alles tun.

Du lebst deine basissozialisierte Identität, tauschst vielleicht deinen Namen, sicher aber deinen Rahmen und schwups, schon bist du Ehefrau, Mutter, Schwiegertochter, Hegende und Pflegende. Ausradiert die begabte Pflichtschulgöre, die freche Maturantin, die kluge Bacheloranwärterin, die zukunftsorientierte Masterstudentin. So leicht, wie dein Namen seinen Hatschek verliert, lässt du deinen vollen Kühlschrank zu Hause zurück, in Sarajevo, in Kiew, in irgendwo. So leicht und beiläufig rutschst du in ein Etwas, in dem plötzlich nur mehr eines zählt: die Anpassung. Du bist ein fähiges Mädchen, kannst auch das und bist stolz darauf.
Weil ich ein Mädchen bin, singt Lucilectric und beschreibt, wie du mit femininen Waffen die Welt dazu zwingst, dich zu entwerten. Frauen bezwingen natürlich auch, aber in erster Linie sich selbst. Schrei laut: Ich bin nichts wert, aber ich will arbeiten, Kinder kriegen und zum System gehören! Sollte dich jemand fragen warum, dann hast du natürlich eine Antwort: Die eine Antwort: Alles für die Liebe.

Also doch Transzendenz, nix mit Existenzialismus. Das ist der namenlose Grenzübertritt, den Frau Tomic beschreibt. Daher kommt das mulmige Gefühl. Wir müssen über den Styx.

Du möchtest arbeiten. Es ist in unserem Jahrhundert ganz normal, dass jede Frau auch eine Karriere hat, ob sie will oder nicht. Ein eigenes Konto, einen online-Finanzamt-Zugang. Frauen sind vollkommen gleichberechtigt bei uns, wer würde das abstreiten. Was sie aus dieser Gleichberechtigung machen? Nächste Frage. Frauensolidarität? Führt uns wieder in die Transzendenz.

Frau Tomic beschreibt auch ihre Flucht in die öffentliche Bibliothek, wo sie gerne liest. Dort kann sie sein, wer sie ist. Die Autoren, die sie zitiert sind allesamt Männer. Unangepasste Männer natürlich, sonst wären sie ja nicht berühmt geworden. Wer oder was hat sie berühmt gemacht und wird verhindern, dass Frau Tomic oder ich berühmt werden? Ist das eine berechtigte, eine nebensächliche, eine politische oder eine existenzielle Frage? Nein! Bitte keine Transzendenz! Ich lebe noch. Und Frau Tomic auch.

Wem der Schuh passt, sagt Liesmann. Auch die Philosophie hat es nicht weit gebracht im nicht mehr so neuen Jahrhundert. Ziemlich angep*sst.

Sexismus ist Betrug an der Mehrheit

Sexismus ist abzulehnen, darüber ist man sich spätestens seit #metoo einig. Die Tiroler Studie, deren Ergebnisse dieser Tage veröffentlicht wurden, beleget, dass im Durchschnitt 75% der Frauen angaben, von Sexismus betroffen (gewesen) zu sein. Das zeichnet ein widerwärtiges Sittenbild unserer Gesellschaft. Wenn wir uns vor Augen halten, dass 52% der Bevölkerung Frauen sind, denen von klein auf beigebracht wird, dass Männer und Frauen, vielmehr alle Geschlechter, gleichwertig sind und dieselben Rechte haben, ist das Betrug an der Mehrheit. Menschenrechte nämlich gelten für alle. Es handelt sich keineswegs nur um mangelnde Sensibilität, wenn ich mich einer bestimmten Personengruppe gegenüber nicht zu benehmen weiß. Egal ob anzügliche Witze, unangebrachte Kommentare zur Körperlichkeit oder andere physische oder psychische Übergriffe, niemand hat das Recht, seine Mitmenschen zu peinigen oder zu erniedrigen. Ein grundlegendes Problem stellen antiquierte Rollenmuster dar, die wir in Österreich auch im 21. Jahrhundert noch immer nicht überwunden haben. Was ist also Sexismus, und wie können wir ihn erkennen? Im Report vorvoriger Woche gab es einen Beitrag zur Bundespräsidentenwahl, der sich – wie wir alle wissen – keine Frau stellt. Es wäre doch eine gesellschaftspolitisch hoch interessante Frage, wie es kommt, dass es zwar viele Kandidaten, aber keine einzige Kandidatin gibt. Ein Reporter befragt im TV-Beitrag Menschen auf einem Sommerfest. Die Männer werden gefragt, ob sie Vertrauen in das Amt des Bundespräsidenten haben und ob sie überhaupt zu Wahl gehen werden. Eine Frau wird gefragt, ob es sie denn störe, dass es keine weibliche Kandidatin gebe. Ist es nicht seltsam, dass schon die Fragestellung suggeriert, Männer wüssten besser über die Kompetenzen und Sinnhaftigkeit eines Amtes Bescheid als Frauen? Es kommt aber noch viel schlimmer. Die Antwort der Frau ist, es störe sie nicht, denn Männer seine eben viel umgänglicher.

Natürlich kann das ihre Meinung sein. Unbenommen. Die Frage aber ist: Warum zeigt uns der ORF diese Interviews?

Stellen wir uns vor zu einem Thema werden schwarze und weiße Menschen befragt, es geht um eine Führungsposition, um die sich zufällig lauter Weiße beworben haben. Dann werden mehrere Menschen um ihre Meinung zur Führungsposition gefragt. Neben fünf Weißen, fragt man auch einen Schwarzen. Den fragt man aber nicht nach der Sinnhaftigkeit der Führungsposition, sondern man fragt ihn: Stört es Sie, dass sich nur Weiße um diese Führungsposition bewerben?

Der Schwarze gibt zur Antwort: Nein, das stört mich nicht, denn Weiße sind viel umgänglicher.

Der ORF hätte nicht zweimal überlegt und dieses Interview ausgesiebt, wie viele andere bei allen ähnlichen Befragungen sonst auch.

Dieses Denkbeispiel zeigt uns, dass die Sensibilität in Geschlechtergleichstellungsfragen sehr zu wünschen übrig lässt. Wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen und einen Großteil der Care Arbeit in Familien und außerhalb leisten, spricht niemand von Rassismus. Tatsache aber ist, dass schon John Lennon 1972 erkannt und veröffentlicht hat: Woman is the Nigger oft he World.

Und das wird auch so bleiben, wenn uns öffentlich anerkannte Bildungseinrichtungen und Medien die patriarchale Männlichkeit weiterhin als normal verkaufen und zu deren Absicherung immer wieder auch ein paar Frauen zu Wort kommen lassen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, mit den Mächtigen solidarisieren und öffentlich ausrufen: „Mein Gott! Die armen Männer! Diese verbitterten Emanzen hacken immer wie Furien auf ihnen herum. Also ich habe nichts gegen Männer. Im Gegenteil, ich liebe sie!“

Dann ist die Welt wieder in Ordnung, und alles bleibt, wie es ist.

Gewissensfrage

Mütter haben ein schlechtes Gewissen. Das belegt jetzt auch die neueste Studie. Mütter fürchten, den Anforderungen an sie nicht zu entsprechen. Dieses schlechte Gewissen haben sie vor Gott und der Welt. Sie fürchten, ihren Kindern gegenüber nicht genug Zeit, nicht genug Geld, nicht genug Engagement aufzubringen. Sie fürchten, ihre Kinder nicht optimal zu fördern. Sie fürchten, für einen Startnachteil ihrer Kinder in ein erfolgreiches Leben verantwortlich zu sein. Sie fürchten, die falschen Entscheidungen und letztlich die falschen Väter getroffen zu haben.

Woher kommt diese Angst, nicht zu genügen, gerade bei denen, die sich so lange überlegt haben, ob sie das Muttersein wagen sollen oder nicht? Die Macht des Gewissens, das Gerüst unserer Gewohnheiten, das unseren Alltag aufrecht erhält, unsere Gesellschaft funktionieren lässt, die auf Anhieb weiß, was richtig und was falsch, was gut und was böse ist, sie bestimmt uns Frauen. Hannah Arendt setzt das Gewissen dem Grad der Angepasstheit gleich. Sind wir Frauen die angepassteren Menschen? Woran haben wir uns angepasst? An den steigenden Wohlstand?

Wenn Wohlstand als Durchsetzung der eigenen Interessen auf Kosten Dritter definiert wird, dann sind wir Frauen für den Grad des Wohlstands in unserer Gesellschaft verantwortlich, allein durch unsere Geneigtheit, sich ausbeuten zu lassen und sich auch selbst noch auszubeuten. Denn mein Gewissen sagt mir, wie ich mich den anderen gegenüber zu verhalten habe, aber auch, was ich von mir selbst fordern muss. Die Gesellschaft hat die Frau Mut und angepassten Mut gelehrt. Selbstaufopferung und angepasste Selbstaufopferung. Das perfide an unserem Wohlstand ist, dass er sich ständig vergrößern muss, dass er ständig mehr will, dass er durch und durch ein kapitalistischer Wohlstand ist. Er will wachsen, sich mehren, größer werden. Er strebt nach Grenzenlosigkeit. Für sich, nicht für alle.

Wenn aber auch wir Frauen in diesem Wohlstand groß geworden sind, in diesem von uns selbst geschaffenen Wohlstand leben, warum entscheiden wir uns immer noch für das schlechte Gewissen? Statistisch gesehen steigt mit höherer Bildung auch die Wahrscheinlichkeit, sich als Mutter unglücklich zu fühlen. Denn unbestritten ist eine, die ständig unter einem schlechten Gewissen leidet, nicht glücklich.

Generationen von Männern und Machtmenschen hingegen, die eigene Nabelschau gewohnt, angefangen von der Bauchpinselei durch die Mutter, bis hin zur Ausbildung in einem Schulsystem, das uns lehrt, dass alles was wir sind und sein können, von Männern erschaffen wurde, bis hin zur treuen Anhänglichkeit der geduldigen Gefährtin, die sich jeder wünscht, haben offensichtlich kaum ein Gewissen. Ihnen sagt der Markt, was gut und böse ist. Und in der Zeitung lesen sie, dass Frauen Angst haben, nicht zu genügen. Wenn sie ihre Frauen also weiter bei der Stange halten wollen, genügt es, sich dieses latent schlechten Gewissens zu bedienen. Männer mögen kein Gewissen haben, aber stattdessen verfügen sie über ein hervorragendes Sensorium dafür, wo sie ihre Machtbestrebungen ausleben können.

Freedom

Kormorantrio im Abendrosa

Text: Mark Klenk

your freedom

freedom is not something

i can give you

i don ´t have your freedom

i can offer your freedom

               room to breath

               a place to grow

i can respect you

and celebrate with you

you are master

               of your own happiness

i can not give you freedom

but i can promise

               not to imprison you

ride your freedom like pegasus!

               a flying warrior

               which carries you on ist back

i can´t give it to you

you have it yourself

i can just offer

               to stand at your side

               to accompany you

keeping it strong

keeping your freedom free

it is in you

Sechsblütige Amaryllis

Vor einiger Zeit las ich dieses Gedicht von Mark Klenk. Es berührte mich sehr und anfangs war mir gar nicht klar, warum meine Gedanken immer wieder zurückkehrten zu den englischen Worten.

Das Geheimnis, das dieses Gedicht für mich offenbart ist, dass Freiheit nicht nur etwas Gefühltes ist, das uns gegeben oder nicht gegeben ist, je nachdem in welchem Regime wir leben, unter welchen Umständen, in welchen Partnerschaften. Wir bringen unsere Freiheit mit und tragen sie mit uns. Was für eine Person ausreichend an Freiheit ist, kann für die nächste noch gar nicht als Freiheit zu erkennen sein. Was für mich Freiheit ist, kann für dich ein enges Gefängnis sein. Freiheit ist sehr individuell. Was Marks Worte aber klar machen ist, dass wir mit unserem Handeln im Alltag Bewusstsein dafür schaffen können, dass Freiheit existiert, als Wert, als durchaus verhandelbares Gut.

Nächtlicher Hafen

Mir steht so vieles frei, mehr als ich mir denken und ausmalen kann. Und doch ist es leichter, die Freiheit in Grenzen zu finden, sie dort zu definieren, wo sie ansteht, aneckt, ankommt, um auf sich aufmerksam zu machen. Freiheit ist in jedem Fall das Selbstgewählte. Die selbstgewählte Weite, der Blick übers Land, in den Himmel, auf das Meer sind Freiheit, ebenso wie die eigenen vier Wände, meine Liebesbeziehung zu einer destruktiven Persönlichkeit, die Entscheidung Kinder zu haben oder mich für eine Abtreibung zu entscheiden.

hüben wie drüben trüb

Freiheit ist nicht immer schön. Freiheit kann eine schwierige Aufgabe sein. Es ist nicht Sinn der Freiheit, sich zu rechtfertigen und doch wird es uns ein Anliegen sein, den Menschen, die wir lieben, mit denen wir unser Leben teilen wollen, die Freiheit, die wir brauchen zu erklären.

Zwei Boote im Blau

Freiheit kann man nicht verschenken. Menschen, die sich gefangen fühlen, tun das auch in ihrer Freiheit. Sie nutzen ihre Freiheit dazu, sich selbst ständig die eigenen Grenzen aufzuzeigen und daran zu verzweifeln. Freiheit kann ich dir nicht geben, aber ich kann dir helfen, deine Freiheit zu erhalten, wenn du sie in dir selbst gefunden hast. Ich kann dich daran erinnern, dass du sie reiten kannst, wie den stürmischen Pegasus oder kuscheln, wie deine flauschige Schmusedecke. Du kannst sie mit kühnen Zukunftsplänen aussenden und du kannst sie nutzen, um den ersten zaghaften Schritt zu machen. Du kannst sie dir natürlich auch sparen, aufsparen oder ersparen.

In jedem Fall wird eines sehr klar: Freiheit ist eine Lebensaufgabe, eine Einstellung zu all den Möglichkeiten, die wir sehen oder ergreifen oder leugnen und unbeachtet lassen. Die Camera Magica, die der Freiheit ihre Form gibt, die mir und meinem Charakter entsprechende Gestalt, das bin immer nur ich.

Danke Mark!

Optimisten bei Sonne