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Hamamelis

Zaubernuss und Tulpen

Hamamelis ist der geheimnisvolle lateinische Name einer Pflanze, die mich seit meiner frühesten Jugend bezaubert. Sie blüht im Winter, wenn die Flora ruht. Ihre zarten, gelben oder roten Blütenfäden sind ein Zeichen dafür, dass die kalte Zeit bald vorüber sein wird.

Nach einem langen und anstrengenden Tag in Arnfels besuche ich meine Freundin. Auf ihrem Tisch im kühlen Atrium steht eine Blumenvase mit blassrosa Tulpen, eingefasst von ein paar unfrisierten Büscheln Hamamelis. Ich betrachte das Arrangement und sehe die Frauen wieder vor mir, die mich heute in meinem Beratungsraum in der Leutschacherstraße aufgesucht haben. Wie fragile Frühlingsboten einer herannahenden Vertrautheit sind sie zu mir herauf, in den zweiten Stock, gekommen. Ein unverhofftes Geschenk in einem kühlen und verschlossenen, mir noch sehr fremden Biotop.

Was Frauen am Land leben und leisten, ist ihnen selbst nicht bewusst, und doch verzaubern sie mit ihren Blüten unwirtliche Gegenden, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfließen.

Meine Freundin tritt mir entgegen. „Da bist du ja!“ Sie umarmt mich und bittet mich herein. Mit einem Blick auf die Blumenvase sagt sie: „Die biegsamen Tulpen verlieren so leicht den Halt. Mit der Zaubernuss aus meinem Garten konnte ich sie wieder aufrichten.“

Zierliche Pflänzchen und archaische Gewächse. Der Frühling lässt sich nicht mehr aufhalten. Wie ein lang erwarteter Brief findet er seinen Weg zu uns. Er hat keine Eile. Feminismus ist für alle da!

#Dagg Tiere Englands …

Journalstudio, Dienstag der 29. März. Verhandlungen zum Ukrainekrieg in der Türkei. Die Zuständigen für die Verteilung von Flüchtlingen auf die einzelnen Länder und Bundesländer bitten um keine Diskussion über Quoten. Sehr seltsam. Niemand kann sich eine Gewinnausschüttung ohne Quoten vorstellen. Ein aliquoter Anteil des Gehalts geht für Steuern drauf. Wettquoten. Einschaltquoten. Importquoten. Abfallquoten. Für alles, was gerecht sein soll, gibt es Quoten. Aber eine Flüchtlingsverteilungsquote und eine Frauenquote brauchen wir mit Sicherheit nicht. Da genügt uns das Augenmaß voll und ganz. Österreichs Bauern suchen weiterhin dringend Kräfte für die Erdbeer- und Spargelernte. Je teurer die Arbeitskräfte, desto niedriger der Gewinn. Ein Job also, den vor allem Frauen und andere Ausländer annehmen sollten, um zur Gesellschaft etwas beizutragen.

Außerdem, so höre ich, besteht überhaupt kein Grund zu befürchten, dass Russland Atomwaffen einsetzen könnte. Das sagt fünf Wochen nach Kriegsbeginn der russische Außenminister. Warum fällt mir bloß Orwell ein? Welches Tier bin ich, auf dieser Farm der Tiere? Fragen über Fragen. Aber dunkel glaube ich mich, daran zu erinnern, dass noch drei Tage vor Kriegsbeginn hoch und heilig beteuert wurde, dass es niemals zu einem Überfall auf das Brudervolk kommen würde.

Anstatt sich mit der näheren Geschichte zu beschäftigen – mit dem, was vor drei Wochen oder drei Monaten oder auch vor drei Jahren war – diskutiert man mit Heftigkeit eine Fernseh-Watschen, die einer dem anderen gegeben hat. Um beim Tierreich zu bleiben: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Ein Diskurs als Ersatzbefriedigung für einen anderen, viel dringenderen. Denn manche sind gleich und mache gleicher.

Meine Giséle kauft wieder täglich ihren billigen Wein. Sie spart bei sich selbst. Was man von hier aus sehen kann, sind das die alltäglich Dinge, die mich bewegen. Heute nehme ich mir nach der Arbeit auch einmal einen Liter von Giséles Lieblingströpfchen mit nach Hause. Prost!

Blütenpelz (@Anna Aldrian)