Zaubernuss und Tulpen
Hamamelis ist der geheimnisvolle lateinische Name einer Pflanze, die mich seit meiner frühesten Jugend bezaubert. Sie blüht im Winter, wenn die Flora ruht. Ihre zarten, gelben oder roten Blütenfäden sind ein Zeichen dafür, dass die kalte Zeit bald vorüber sein wird.
Nach einem langen und anstrengenden Tag in Arnfels besuche ich meine Freundin. Auf ihrem Tisch im kühlen Atrium steht eine Blumenvase mit blassrosa Tulpen, eingefasst von ein paar unfrisierten Büscheln Hamamelis. Ich betrachte das Arrangement und sehe die Frauen wieder vor mir, die mich heute in meinem Beratungsraum in der Leutschacherstraße aufgesucht haben. Wie fragile Frühlingsboten einer herannahenden Vertrautheit sind sie zu mir herauf, in den zweiten Stock, gekommen. Ein unverhofftes Geschenk in einem kühlen und verschlossenen, mir noch sehr fremden Biotop.
Was Frauen am Land leben und leisten, ist ihnen selbst nicht bewusst, und doch verzaubern sie mit ihren Blüten unwirtliche Gegenden, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfließen.
Meine Freundin tritt mir entgegen. „Da bist du ja!“ Sie umarmt mich und bittet mich herein. Mit einem Blick auf die Blumenvase sagt sie: „Die biegsamen Tulpen verlieren so leicht den Halt. Mit der Zaubernuss aus meinem Garten konnte ich sie wieder aufrichten.“
Zierliche Pflänzchen und archaische Gewächse. Der Frühling lässt sich nicht mehr aufhalten. Wie ein lang erwarteter Brief findet er seinen Weg zu uns. Er hat keine Eile. Feminismus ist für alle da!